VIA APPIA. REGINA VIARUM
SERIELLES WELTKULTURERBE
Vor fast 10 Jahren erwanderte Paolo Rumiz die Via Appia. Mit dem Bau der Römerstraße wurde 312 v. Chr. begonnen: Brücken, Viadukte und Tunnel, die entlang eines geraden Straßenverlaufs Wasserflächen, Sumpfgebiete und Berge über eine Entfernung von 500 km durchquerten. Die Straßenoberfläche galt dank ihrer Stabilität und einer sorgfältigen Entwässerung als innovativ. Es gab Gehwege und regelmäßige Poststationen, mit Pensionen zum Übernachten, kleinen Thermenanlagen und Pferdewechselstationen. Die Straße wurde schrittweise von Rom bis Brindisi ausgebaut. Brindisi war jedoch nicht das Ziel, sondern der Beginn einer Reise über das Mittelmeer in Richtung Orient: Dies verdeutlicht, wie weit der Horizont der Menschen damals war. Ein Horizont, den wir nicht mehr haben. Ein durch Kriege und Schiffsbrüche getrübter Horizont. Die Königin der Straßen, wie sie der Dichter Statius bezeichnete, möchte auch nach 2300 Jahren begangen werden und die Verbindungsstraße von Völkern und Kulturen sein.
NICHT ZU VERPASSEN
„Als ich Roma, die große, verlassen, empfing in bescheidne Wirtung Aricia mich samt Heliodorus, dem Meister Griechischer Sprach’ und Rede. Dann wurd in Appius’ Forum, voll von Schiffern gedrängt und prellenden Wirten, genächtigt. Da wir zögernd den Weg, den bessere Gänger in eins tun, teilten; der appische Weg ist minder beschwerlich den Trägen.“
Die berühmteste Reise über die Via Appia wird von Horaz in der fünften Satire des ersten Buches beschrieben. Im Frühjahr 37 v. Chr. begleitet der Dichter, im Auftrag Oktavians, Maecenas auf diplomatischer Mission und beschreibt die während der zweiwöchigen Reise erlebten Abenteuer.
Google Maps
„Fräulein Letizia, die Frage, die Sie mir gestern
Abend gestellt haben, hätte ich damals nicht
beantworten und Ihnen den Grund für meine
Neugierde erklären können, denn selbst wenn
es keine andere Person gegeben hätte, wäre ich
in diesem Moment sicher nicht dazu in der Lage
gewesen, so dass mich plötzlich diese Frage aus
Ihrem Mund aufrüttelte und der Spott Ihres
Kollegen mich in die Realität
zurückholte.“
in Bleirohren unter dem Grabmal Sepolcro Dorico versteckt
und 1999 wieder gefunden wurden
Eine 500 km Straße, die geradlinig durch Italien führt und seit 2300 Jahren von Händlern, Heeren und Reisenden begangen wird. So viel Geschichte wurde bereits auf den Steinen der Via Appia geschrieben. Die große Geschichte der Politik, Wirtschaft und der Eroberungen und die kleine Geschichte derjenigen, die die Via Appia im Laufe der Jahrhunderte begingen und sie so zu einem Teil ihres Lebens werden ließen. Die kleine Kirche „Domine Quo Vadis“ wurde an der Stelle erbaut, an der laut christlicher Überlieferung der sich auf der Flucht befindende Petrus in einer Vision Jesus begegnete und verstand, dass es sein Schicksal war, im Namen des Glaubens das Martyrium der Kreuzigung auf sich zu nehmen. 71 v. Chr. wurde der SpartacusAufstand durch das römische Heer niedergeschlagen. Alle 6000 Aufständischen wurden entlang der Via Appia gekreuzigt: Auf einer Länge von 200 km zwischen Capua und Rom wurde alle 35 m ein Kreuz aufgestellt. An der XXXIII. Meile stehen in der Nähe von Cisterna di Latina die Überreste einer der Poststationen, die in regelmäßigen Abständen an der Via Appia standen. An der Station Tres Tabernae wurde der Hl. Paulus, der sich auf dem Weg nach Rom befand, durch eine Gruppe römischer Christen willkommen geheißen, die ihm entgegenkam: „Nach drei Monaten aber fuhren wir ab mit dem Schiff aus Alexandria, das bei der Insel überwintert hatte und das Zeichen der Zwillinge führte. Und als wir nach Syrakus kamen, blieben wir drei Tage da. Von da fuhren wir die Küste entlang und fuhren nach Rhegion; und da am nächsten Tag der Südwind sich erhob, kamen wir in zwei Tagen nach Puteoli. Dort fanden wir Brüder und wurden von ihnen gebeten, sieben Tage da zu bleiben. Und so kamen wir nach Rom. Dort hatten die Brüder von uns gehört und kamen uns entgegen bis Forum Appii und Tres-Tabernae. Als Paulus sie sah, dankte er Gott und gewann Zuversicht“ (Apostelgeschichte, 28,15). Auf der Via Appia finden wir jedoch nicht nur alte Geschichte: Während der archäologischen Ausgrabungen am Grabmal Sepolcro Dorico im ersten Abschnitt der Via Appia, wurden 1999 zwei Bleizylinder gefunden, in die ein Datum eingraviert war: 30. September 1929. Darin befanden sich einige Fotos und mehrere Liebesbriefe von Ugo und Letizia. Er war verheiratet und sie jung und ledig. Der Briefwechsel dauerte drei Jahre und zeugt von einer ebenso glühenden, wie unmöglichen Liebe. Eine unglückliche Liebe, die einer Zeitkapsel anvertraut und an einem Ort versteckt wurde, der vielleicht für beide von Bedeutung war. Nach fast einem Jahrhundert werden die Briefe, die sich Ugo und Letizia schrieben, in einer Vitrine im archäologischen Komplex Capo di Bove, in der Nähe ihres Fundortes aufbewahrt.
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Die italienischen UNESCO-Welterbestätten erzählen ihre Geschichte durch die Worte großer Schriftsteller, die ihre Geschichte und Schönheit gefeiert haben
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„‘IN DER SCHULE HABEN WIR DIE ALTEN RÖMER BEHANDELT. WISST IHR, WARUM SIE SO BERÜHMT WAREN?’ ‘WEGEN DES KOLOSSEUMS? WEGEN DER CENTURIONEN?’ [...] ‘WEGEN DER STRASSEN!, SIE WAREN WIE EIN SPINNENNETZ, DAS SICH DURCH ALL IHRE GEBIETE ZOG. DIE STRASSEN BEGINNEN IN ROM UND FÜHREN ÜBERALL HIN!’“


LESEEMPFEHLUNGEN
Buchempfehlungen zur Via Appia Antica.
- Satira I.5, Quintus Horatius Flaccus (1. Jh. v. Chr.). In der Satire1,5 beschreibt Horaz den Iter Brundisinum, also die Reise, die er 37 v. Chr. mit berühmten Persönlichkeiten , wie Maecenas und Vergil von Rom nach Brindisi unternahm.
- Silva II.2, Publius Papinius Statius (1. Jh. n. Chr.). Statius ist es, der der Via Appia im 12. Vers der Silvae II.2 den Beinamen „Regina Viarum“ verleiht.
- Corinne oder Italien, Madame de Staël (1807). Schriftstellerin und Prominente, Tochter des Finanzministers unter dem König Ludwig XVI schreibt sie den ersten Roman der Frauenliteratur des 19. Jhs, der autobiographische Züge enthält. In Rom besichtigt die Hauptfigur Corinna mit ihrem Geliebten die Via Appia: „Sie führte (Ihn) vor die Thore der Stadt nach der einstigen Via Appia. Diese [...] Straße wurde zu beiden Seiten von Gräbern eingefaßt, deren Trümmer sich unabsehbar, meilenweit hinaus erstrecken.“
- Italienische Reise, Charles Dickens (1846). 1845 ist er mit seiner Familie in Rom, wo er die Via Appia entlang läuft: „Eines Tages wanderten wir [...] nach Albano [...] erfüllt von einem starken Verlangen, auf der alten Appischen Straße, die seit langer Zeit verfallen und überwachsen ist, dorthin zu gelangen. Wir brachen um halb acht Uhr früh auf und befanden uns in einer Stunde draußen in der Campagna. Zwölf Meilen kletterten wir [...] über Hügel, Haufen und Berge von Ruinen.“
- Vor den Thermen des Caracalla, Giosuè Carducci (1877). Eines der bekanntesten, Gedichte der Gedichtsammlung Odi barbare endet mit einem Bild von der Via Appia Antica: „Hör’ mich, Fieber! Stoße die neuen Menschen / Weg mit ihrer kleinlichen Welt von diesen Orte: / Heilig ist dieses Grau’n: die Göttin / Roma, hier schläft sie. / Auf Palatius Höh’n ruht ihr Haupt, / sie öffnet zwischen Cölius und Aventin die Arme,/ Streckt zur Via Appia der Schultern Wucht aus / Durch die Capena.“
- Egle, Giosuè Carducci (1892). In diesem aus den Odi barbare beschreibt Carducci die Via Appia im Winter: „Selbst im graulichen Winter ragt, efeuund lorbeerumrankt, am / Traurigen appischen Weg manches verfallene Grab. / Durch den tiefblauen Himmel, aus dem der Regen noch träufelt, / Zieht an der Sonne vorbei glänzendes weißes Gewölk.“
- Rom, Émile Zola (1896). 1894 blieb der Schriftsteller einige Wochen in Rom. Danach schrieb er Rom, den zweiten Roman der Trilogie Drei Städte. Die Hauptfigur, der junge Abt Pierre Froment, besichtigt die Via Appia und ist hin und weg: „Ach, diese Via Appia, diese antike Königin der Landstraßen, welche die Campagna in einer langen, geraden Linie mit der Doppelreihe ihrer stolzen Gräber durchschneidet, war für ihn nur die triumphierende Fortsetzung des Palatin! Dasselbe Bedürfnis nach Pracht und Herrschaft, dasselbe Bedürfnis, das Andenken der römischen Größe in Marmor zu verewigen, sprach sich darin aus.“
- Via Appia, Paolo Rumiz (2016). Im Juni 2015 beendete Rumiz mehrere Reisen, die er gemeinsam mit dem Trecker Riccardo Carnovalini, dem Videografen Alessandro Scillitani sowie der Architektin Irene Zambon entlang der Via Appia unternommen hatte. Er veröffentlichte seinen Reisebericht zunächst in Folgen in der Tageszeitung la Repubblica und dann in einem Buch, auf dessen Grundlage die Via Appia rekonstruiert wurde.
Kinder- und Jugendliteratur:
- Gli esploratori dell’Appia perduta, Gud (2020). Kaiser, Päpste, Direktoren, sehr reiche Leute: Von den Millionen Menschen, die im Laufe der Jahrtausende auf der Via Appia unterwegs waren, hat vielleicht jemand einen Schatz verloren und die drei Freunde, die Hauptfiguren dieses Comics, wollen den wiederfinden.

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