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DIE ALTSTADT VON URBINO

icona patrimonio sito UNESCO
WELTKULTURERBE
DOSSIER UNESCO: 828
VERLEIHUNGSSTADT: KYOTO, JAPAN
VERLEIHUNGSJAHR: 1998
BEGRÜNDUNG: Urbino, die kleine in die Hügellandschaft der Marken eingebettete Stadt, erlebte ihre kulturelle Blüte im 15. Jh. In dieser Zeit kamen Künstler und Intellektuelle aus ganz Italien sowie aus anderen Ländern an den Hof, sodass Urbino die kulturellen Entwicklungen in anderen Teilen Europas mitbeeinflusste. Da im 16. Jh. Wirtschaft und Kultur stagnierten, behielt Urbino größtenteils sein Aussehen aus der Renaissance bei.

„Waren Sie je in Urbino? Bleibt Ihre Antwort nein,
dann sollten Sie sich schuldig fühlen, denn Sie
werden eine Dimension der italienischen Zivilisation
verpassen. Und das gilt nicht nur für das künstlerische
Erbe, sondern auch für das Antlitz der Stadt selbst, für
ihre Luft, für die außergewöhnliche Schönheit ihrer
Welt. Urbino ist eine Wunderlandschaft.“

Una città che non deve morire, Carlo Bo

Eingebettet in die sanfte Hügellandschaft der Marken liegt die Stadt Urbino, welche ihre Blüte dank Federico da Montefeltro und seinem Sohn Guidobaldo im 15. Jh. erlebte. In dieser Zeit entwickelte sich Urbino zu einem strahlenden Fürstenhof mit einem reichen Kulturund Kunstleben. Der Glanz von damals strahlt bis in unsere heutige Zeit: Wer nach Urbino kommt, hat das Gefühl, in einem Kunstbuch zu blättern und in dieser historischen Altstadt, die sich über eine Fläche von etwas mehr als 1 km2 erstreckt, der Vision des Federico da Montefeltro – von 1444 bis 1482 Herzog von Urbino – zu begegnen. Sein Sohn, Guidobaldo I da Montefeltro, führte das Werk seines Vaters weiter, sodass wir ihm heute die Gründung der Universität Urbino im Jahr 1506 verdanken. Urbino war in der Vergangenheit als Idealstadt eine Quelle der Inspiration, heute ist die Stadt ein wichtiges Reiseziel in den Marken. Dennoch lebt die Stadt nicht in der Vergangenheit: Auch dank ihrer Universität war Urbino in der Lage, zukunftsgerichtet ihr Angebot im Bereich Tourismus an die Herausforderungen unserer Zeit anzupassen. Bei einem Spaziergang durch Urbino sieht man, dass die Stadt unter einem guten Stern steht.

NICHT ZU VERPASSEN

„Urbino, in jenem Palast, der sich an den Berg lehnt, wo Coletto il Brabanzone die Belagerung von Ilio webte, webt zu jeder Jahreszeit die alte Geschichte blau und rot.“

Gabriele d’Annunzio ist einer der vielen Intellektuellen, der über Urbino schrieb und davon beeindruckt war. Dies geht aus seinem Werk Laudi del cielo, del mare, della terra e degli eroi (Buch II, Elettra) hervor. Auf dem wie folgt beschriebenen Weg durch die Innenstadt können wir die Geschichte und die Meisterstücke der Kunst entdecken.
Google Maps
Der Besuch Urbinos beginnt auf der als Parkplatz genutzten
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Piazza Mercatale mit ihrem dicken Mauerwerk. Die Altstadt betreten wir über das Tor Porta Valbona oder die spektakuläre rampa Elicoidale (Wendelrampe) die wir nur zu Fuß begehen können und so einen Eindruck von den vielen Steigungen in Urbino bekommen. Ein absolutes Muss ist in Urbino zweifelsohne der
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Herzogspalast, Sitz der Nationalgalerie der MarkenStadtkern Urbinos und bis zum 16. Jh. dessen Machtzentrum. Der Palast beeindruckt durch seine Schönheit, die charakteristischen kleinen Türme, die durch kleine Triumphbögen geschmückten Balkone sowie das faszinierende Umfeld, in dem Federico da Montefeltro lebte. Er war es, der Luciano Laurana und Francesco di Giorgio Martini mit dem Bau des Herzogspalast beauftragte, die begabtesten und ehrgeizigsten Künstler an seinen Hof holte und bei ihnen wichtige Werke in Auftrag gab. Für den Besuch der Nationalgalerie der Marken ist es wichtig, sich mehrere Stunden Zeit zu nehmen, sofern man alles sehen möchte. Ausgestellt sind dort unter anderem Werke von Bellini, Crivelli, Piero della Francesca, Paolo Uccello und Federico Barocci. Hier befindet sich auch das Meisterwerk Città ideale, welches Luciano Laurana oder Francesco di Giorgio Martini zugeschrieben wird, das einhellig als das Manifest der Architektur in der Kunstgeschichte anerkannt wird. Ganz benommen von so viel Schönheit verlassen wir den Herzogspalast und besuchen den
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Dom von Urbino, der im Jahr 1789 durch Giuseppe Valadier wieder aufgebaut wurde und in dem das Werk Das letzte Abendmahl von Federico Barocci besichtigt werden kann. Wir überqueren die lebendige
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Piazza della Repubblica, an der der Palazzo degli Scolopi und das Collegio Raffaello liegen. Hier treffen sich die Studenten auf ein Schwätzchen. Es geht dann weiter zur
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Via Federico Barocci, eine kleine Straße, an deren Ende gerne Erinnungsfotos von Urbino gemacht werden. Gleich daneben befindet sich das
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Oratorium von St. Josef aus dem 16. Jh. mit der einzigen Barockirche in ganz Urbino, einem Altar aus polychromem Marmor und einer schönen Krippe aus Stuck von Federico Brandani. Sollte Sie dieser Ort beeindruckt haben, dann werden Sie den Mund nicht mehr zu bekommen, wenn Sie das nahe gelegene
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Oratorium von San Giovanni Battista, betreten, ein wahres Paradies an Fresken aus dem 15. Jh. von Lorenzo und Jacopo Salimbeni, wozu auch hinter dem Altar die Fresken der Kreuzigung gehören, deren Farben und Dynamik umwerfend sind.

„Laßt uns ruhen: uns gegenüber
windiges Urbino schaut ! Es weitet
das Gefieder des Drachens jeder in
den blauen Himmel.“

L’aquilone, Giovanni Pascoli

So äußerte sich Giovanni Pascoli über Urbino, wo er einige Jahre am Collegio Raffaello dei Padri Scolopi studierte. Auch heute kommen viele junge Leute nach Urbino, um an der alten und bekannten Universität zu studieren. Diese wurde im Jahr 1506 gegründet und nach Carlo Bo benannt, der 54 Jahre lang, von 1947 bis 2001, deren Rektor war, einer Zeit, in der sich das Gesicht der Universität veränderte. Das Angebot ist vielfältig und reicht von Wirtschafts- und Rechtswissenschaften über biomolekulare Wissenschaften bis hin zu humanistischen Studiengängen und Kommunikationswissenschaften. 2021 wurde das System Sistema Museale di Ateneo eingerichtet, das das kulturelle Leben in Urbino bereichert: Besichtigt werden können das Physik-Kabinett – das Museum Urbinos der Wissenschaft und Technik mit Sitz im aus dem 18. Jh. stammenden Palazzo degli Scolopi –, das Zentrum des Botanischen Klostergartens San Francesco, das Museo dei Gessi im Palazzo Albani und die Mineraliensammlung sowie die Sammlung geonaturalistischer Funde „Paolo Volponi“. Dank der Universität und ihrer vielen Studenten aus aller Welt ist Urbino eine lebendige Stadt, die viele Impulse bekommt, obwohl sie im Vergleich zu anderen Städten viel kleiner ist.

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FÜR DIE JÜNGSTEN

„ITALIEN IST MIT SEINEN LANDSCHAFTEN EIN KONZENTRAT DER WELT. DIE MARKEN VON ITALIEN.“
attività per bambini del sito UNESCO nr. 29
Dies schrieb Guido Piovene in seinem Buch 18 mal Italien. Hinzufügen könnte man noch, dass Urbino mit seinem Ausblick auf die sanften Hügel ein Konzentrat der Marken ist. Urbino ist die ideale Stadt für Familien auf Reisen. Wenn die Kleinsten hier durch die Straßen laufen, bekommen sie so viele Impulse, dass sie Urbino gar nicht mehr verlassen möchten. Sicherlich werden die Kinder von den
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mineralogischen und geologischen Schausammlungen im wissenschaftlich-didaktischen Bereich „Paolo Volponi“ begeistert sein: Mehr als 4.500 Stücke sind hier in Vitrinen ausgestellt. Hinzu kommen die geologischen Sammlungen mit Ausstellungsstücken aus der Tierwelt sowie Fossilien aus dem Umland. Für Kinder gibt es außerdem zahlreiche Angebote und Workshops. Wenn Ihr den
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Herzogspalast besichtigen möchtet, so gibt es auch dort etwas Interessantes für Eure Kinder, zum Beispiel die Schriftzüge, die man auf dem Palast lesen kann und die vor Jahrhunderten von Höflingen, Gästen, Bediensteten und Herren hinterlassen wurden: winzige Berichte, die der Nachwelt hinterlassen wurden. Eure Kinder können sich darauf freuen, den kleinen Südturm zu besteigen und den Nordturm wieder hinunter zu gehen, um ein Erinnerungsfoto zu machen und dann das Bild von Federico da Montefeltro und seinem Sohn Guidobaldo, das Pedro Berruguete mit Öl auf Holz malte, zu besichtigen. Sie können auch in den Alkoven des Herzogs spicken, ein kleines Zimmer aus Holz, das mit einem Himmel aus goldener und roter Kunstfaser dekoriert ist. Den Kindern, die sich für Naturwissenschaften interessieren, wird mit Sicherheit das
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Kabinett für Physik – Urbinos Museum für Wissenschaft und Technik, im Palazzo degli Scolopi Spaß machen, in dem es eine schöne Sammlung an technischwissenschaftlichen Instrumenten sowie eine virtuelle, interaktive und multimediale Rekonstruierung des Arbeitszimmers des Herzogs Montefeltro im Herzogspalast gibt. Um etwas Luft zu schnappen, bietet sich ein Spaziergang im
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Botanischen Garten an, der 1809 gegründet wurde. Hier können insektenfressende Pflanzen, Färberpflanzen und Sukkulenten, Heilkräuter, Unterholzarten und Farne bestimmt werden. Wenn Ihr mit Euren Kindern eine Übersicht über die berühmtesten Skulpturen der Welt haben möchten, dann empfiehlt sich ein Besuch des
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Musei dei Gessi im Palazzo Albani, das die Gipsabdrücke der berühmtesten Skulpturen auf der Welt beherbergt. Um Raffaello besser kennenzulernen, ist die Besichtigung seines
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Geburtshausessehr zu empfehlen. Es ist beeindruckend, wenn man den Ort sieht, an dem der Künstler seine ersten Schritte machte. Auch eines seiner ersten Werke, das Fresko Madonna mit Kind, ist dort ausgestellt. Wir beenden den Rundgang an der Festung
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Fortezza Albornoz im Park della Resistenza, Ein guter Ort, um die Kinder spielen zu lassen.
sito UNESCO nr. 29 in Italia
LESEEMPFEHLUNGEN

Buchempfehlungen, um die Universitätsstadt kennenzulernen.

  • L’aquilone (Der Papierdrachen), Giovanni Pascoli (1897). In diesem Gedicht, das zur Sammlung Primi poemetti gehört, erinnert sich Pascoli mit Nostalgie und Wehmut an seine Studienzeit in Urbino.
  • Elettra, Gabriele d’Annunzio (1903). Elettra ist der zweite Band der Laudi, einer Gedichtsammlung, deren Gedichte einigen italienischen Städten, wie zum Beispiel Urbino, gewidmet sind
  • 18 mal Italien, Guido Piovene (1957). Piovene bereiste das Bel Paese drei Jahre und schrieb dann diese einzigartige und detaillierte Reportage, die als Klassiker der italienischen Reiseliteratur gilt. Von den Alpen über Urbino bis nach Sizilien lädt uns der Autor ein, die Wunderwerke Italiens zu entdecken.
  • Una città che non deve morire, Carlo Bo (1965). Rede von Carlo Bo, langjähriger Rektor der Universität Urbino. Die Rede wurde in der Sammlung Discorsi rettorali (1973) veröffentlicht. Während der langen Zeit in Urbino äußerte sich Bo häufig sehr positiv über die Stadt Urbino.
  • Via Volta della Morte, Aurelio Picca (2006). In einer der Straßen Urbinos werden zwei tote Universitätsmitarbeiter gefunden, die mit Sicherheit ermordet wurden. Kommissar Vittorio Macrì führt die Ermittlungen und ein Professor wird verdächtigt, die Tat begangen zu haben.
  • I sotterranei della cattedrale, Marcello Simoni (2013). Historischer Thriller, der im Jahr 1790 in Urbino spielt. Im Dom von Urbino wird 1790 eine Leiche gefunden. Sofort ist klar, dass es sich hierbei um keinen natürlichen Tod handelt. Ein Student in der Priesterausbildung interessiert sich für den Fall und fängt an zu ermitteln
  • Urbino, Nebraska, Alessio Torino (2013). Der Roman basiert auf dem Tod von zwei jungen Frauen, Ester und Bianca. Er besteht aus vier zusammenhängenden Geschichten, deren roter Faden Ester und Bianca und die Erinnerung an sie ist. Alles spielt in Urbino, einer Stadt, die von einem geografischen Ort zu einem Universalort der Seele wird.
  • Il duca che non poteva amare, Elena e Michela Martignoni (2015). Es geht um Intrigen am Hof und Machtspiele, um die wahre und die aufgezwungene Liebe. Hauptfigur ist der junge, frisch mit Elisabetta Gonzaga vermählte Herzog Guidobaldo da Montefeltro. Der Leser begibt sich auf eine Reise in das Urbino der Renaissance.
  • Pessima mossa, maestro Petrosi Paolo Fiorelli (2015). Der Kriminalroman spielt in Urbavia, einer Stadt, die Urbino als Vorbild hat. Er beginnt mit einem Schachturnier der Stadt, an der Achille Petrosi teilnimmt. Sein Gegner erscheint nicht zum Turnier und wird ermordet in der Villa Petrosis aufgefunden: Wer ist der Schuldige?
  • I demoni di Urbino. La figlia del maresciallo, Pasquale Rimoli (2017). Im Roman noir geht es um die Ermittlungen des Kapitäns Sesti und um seine Tochter Giulia. Alles ereignet sich in Urbino, dem faszinierenden Herzogtum, wo die Ereignisse von Kultur, Magie und Mysterium geprägt sind.
  • Mistero a Palazzo Ducale, Gabriele Terenzi (2021). Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit: Aus dem Herzogspalast verschwinden im Jahr 1975 einige Werke. Im Roman begibt sich der Unternehmer Costantino Bez auf die Spur der Werke Die Stumme von Raffael, Die Geißelung Christi und Die Madonna von Senigallia von Piero della Francesca, indem er durch Ermittlungen in Italien und Frankreich versucht, die Diebe zu finden.
  • Nulla accade per caso, Vincenzo Biancalana (2023). Es ist die Geschichte von Tazio Tenaglia, Gallerist in Urbino, und seiner Familie in den 1950er Jahren. Das Auffinden von Briefen bringt totgeschwiegene Familiengeheimnisse ans Tageslicht. Tazio wird ermordet, der Kommissar Arturo Ferrel ermittelt.
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